Was ist "systemisch"?

Die Idee von Wirklichkeit als gemeinsamer „Konstruktion“

„Wirklichkeit“ wird als Ergebnis sozialer Konstruktion angesehen, als eine Art der „Einigung“ eines sozialen Systems auf bestimmte Weisen der Beschreibung der Welt, nicht als etwas, das objektiv und ein für allemal Gültigkeit besitzt. Menschen befinden sich permanent in einem Prozess selbstorganisierter Bedeutungserzeugung, in dem sie die Möglichkeiten, die Dinge zu sehen und zu beschreiben, wechselseitig einschränken. Diese Beschreibungen werden sehr genau daraufhin angeschaut, ob der Rahmen, der durch sie aufgespannt wird, beweglich ist oder festschreibend.

So werden etwa Beschreibungen, die einer Person eine unabänderliche „Eigenschaft“ zuschreiben, immer wieder hinterfragt: „Was genau tut Ihr Mitarbeiter, wenn er das macht, was Sie ‚hinterhältig’ nennen?“ Die Idee der „gemeinsamen Konstruktion“ wird am deutlichsten im sogenannten „Reframing“ ausgedrückt – so gesehen eigentlich mehr als nur eine „Technik“: die Wirklichkeit bekommt ihren Sinn erst durch das, was wir in ihr sehen.

Und so ist es manchmal weniger nötig, die Dinge zu verändern, als vielmehr die Sichtweisen. Hierzu ein kleines Beispiel: Ein Vater beschwert sich: Seine Töchter haben ständig Streit. Wie war es bei ihm zu Hause? Da gab es das nicht: Die Eltern waren sehr hart und streng, als „Notgemeinschaft“ hatte er sich mit seinen Geschwistern verbündet und stets zusammengehalten. Die Therapeutin bietet als „Reframing“ an: „Dann könnte man ja fast sagen, dass es ein ‚Kompliment’ ist, wenn Ihre Töchter sich ständig streiten. Sie zeigen, dass sie keine Notgemeinschaft bilden müssen, sondern dass sie in Ruhe lernen können, wie man harte Auseinandersetzungen führt.“ Für den Vater ist dies eine dramatische Veränderung der Sichtweise: „So habe ich das noch nie gesehen – ja, stimmt, es ist ein Kompliment an mich. Vor mir haben sie keine Angst.“

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